Neue Zeit & Echo des Krieges
Die Ausstellung NEUE ZEIT? versammelt drei Fotoarchive: Die Aufnahmen eines unbekannten deutschen Soldaten beim Einmarsch in Warschau im Herbst 1939, Aufnahmen des dem Bauhaus nahestehenden Fotografen Dieter Keller von der ukrainischen Front 1941/42, sowie Fotografien des russischen Frontfotografen Valery Faminsky von der Befreiung Berlins und den ersten Friedenstagen in der Stadt.
Warum sind Menschen bereit, in den Krieg zu ziehen? Folgen sie Versprechungen, liefern sie sich den Lügen der Mächtigen aus, verschreiben sie sich Ideologien oder Wahnvorstellungen? Gibt es Chancen einer Zivilisierung durch die Konfrontation mit dem Schrecken, mit Leid, Not und Tod?
Vor einigen Jahren wurden die Fotografien des russischen Fotografen Valery Faminsky entdeckt und der deutschen Öffentlichkeit bekannt gemacht. Ein russischer Kriegsfotograf hatte seit 1943 den Krieg aus russischer Sicht dokumentiert. Im April 1945 erreichte er mit der Roten Armee Berlin. Er hatte einen Blick für das Leiden – der Soldaten sowohl wie für die in Berlin lebende Zivilbevölkerung. Die Stunde Null in Berlin als neuer Anfang, als Fortsetzung einer Geschichte.
Aber welcher?
Der Vergleich der Bilder von Faminsky mit den Aufnahmen eines bis heute unbekannten deutschen Fotografen. Er gehörte zu den Soldaten der deutschen Wehrmacht, die im Herbst 1939 Warschau besetzten. Der Vergleich beider Fotoserien ermöglicht den Blick auf den Beginn und auf das Ende des Krieges – zugleich aber mehr. Denn die Kamera deutet an, was vor und hinter den Menschen in Warschau, wie in Berlin liegt.
Und dazwischen?
Die 1941/42 entstandenen Fotografien von Dieter Keller, eines an der neuen Sachlichkeit orientierten Fotografen aus der Tradition des Bauhauses schildert den Krieg in der Ukraine, die Zerstörung der dörflichen, wie städtischen Lebenswelt, das Leiden von Mensch und Tier. Der Fotograf blickt auf Menschen, die wiederum nur wissen, was hinter ihnen, aber nicht was vor ihnen liegt. Der Fotograf aber weiß es, registriert den Tod, kontrastiert das Leiden mit einer Ordnung, die sich in Aufnahmen von Häusern, aber auch Pflanzen und Tieren greifen lässt.
Und heute?
Die Fotos dieser unterschiedlichen Archive machen den Zivilisationsbruch deutlich, den Krieg immer verkörpert. 1939, 1941/42 und 1945 und darüber hinaus. Betroffen ist der Mensch. Leiden ist individuell und setzt den empathischen Blick voraus, selbst dann, wo er dokumentierend sein will. Kriegsfotografen haben oft Militäraktionen und Siege verherrlicht, Ideologien propagiert und kriegerische Auseinandersetzungen legitimiert – große, berührende Kriegsfotografie aber intensiviert den Blick auf Menschen und leistet so einen wichtigen Beitrag zur humanen Orientierung. Sie machen deutlich, dass Menschen vielleicht – wie Fontane (selbst ein Kriegsberichterstatter) einmal vermutete – Mitleid nicht lernen könnten. Fontane war sich jedoch bewusst, dass Menschen stets in der Gefahr stünden, Mitleid zu verlernen. Die Fähigkeit, Leid zu empfinden, kann Wahrnehmungen und Blicke schärfen. So gesehen, ist die gleichzeitige Ausstellung von Fotografien aus Warschau im Herbst 1939, aus der Ukraine 1941/42 und aus Berlin im Mai 1945 der Versuch, in der Konfrontation mit Unterdrückung, Besatzung und Krieg, sowie Not und Leiden der betroffenen Zivilisten und Soldaten einen zivilisierenden Appell zu vermitteln. „Nie wieder!“ wir wissen es, gilt nicht, denn die große Zahl der nach 1945 kriegerisch zerstörten Städte lehrt anderes. Immer scheinen sich die Bilder zu gleichen: Warschau, Kiew, Berlin, Hiroshima, Hue und Aleppo. Immer noch stecken wir mittendrin…
Die Präsentation der Fotos in der Galerie des Willy-Brandt-Hauses betrachtet den Zeitraum 1939 bis 1945 und erzeugt einen Spannungsbogen zwischen Kriegsbeginn und Kriegsende. Dadurch unterläuft sie die Illusion der Stunde Null und des „Untergangs“. Fotografien sind für die Nachlebenden nicht nur wichtig, um eine dokumentarisch ‚dichte‘, und ‚verlässliche‘ Vorstellung einer authentischen Vergangenheit zu entwickeln und zu bewahren. Die Vergegenwärtigung des Vergangenen ist die vielleicht entscheidende Voraussetzung der Zivilisierung des politischen Zusammenlebens.
Mit dem Beginn des Rassen- und Weltanschauungskriegs von 1939 wurde das Ende vorgezeichnet. Zerstörung und Menschenvernichtung prägten sechs Jahre und unsere Wahrnehmung. Die Bilder distanzieren uns von dem ursprünglichen Versprechen, mit dem Krieg in eine „Neue Zeit“ zu gelangen. Die Folgen sind damals wie heute sichtbar.
Kriege waren nicht: sie sind!
Die Ausstellung NEUE ZEIT? wird von Ana Druga und Thomas Gust (Verlag Buchkunst Berlin) in enger Zusammenarbeit mit Gisela Kayser, Leiterin des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus und Dr. Norbert Moos, vom Forum für Fotografie in Köln kuratiert.
Veranstaltet durch STÄNDIGE KONFERENZ DER NS-GEDENKORTE IM BERLINER RAUM
Gefördert von Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien // Forum Willi Münzenberg
Medienpartnerschaft PIB - Photography in Berlin
Echo des Krieges
Die Ausstellung Echo des Krieges zeigt Originalaufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Fotografien, die dem Blick jener Augen folgen, die die Geschehnisse beobachtet haben, derjenigen, die die Ereignisse verursacht, erlitten, erlebt haben. Dabei wurden politisch und strategisch wichtige Aufnahmen als auch flüchtige und poetische Momente im Bild festgehalten. Gleichsam als in Bildern erzählte Geschichten, deren Echo bis in die Gegenwart reicht.
Zu sehen sind Fotografien von Kriegsberichterstattern, Soldaten und Privatpersonen, die seltene Aufnahmen aus Flugzeugen, Bilder von öffentlichen Hinrichtungen, Fallschirmspringer kurz vor der Landung, sowjetische und deutsche Kindersoldaten, den Alltag und die Nachkriegszeit in den zerbombten Städten zeigen. Die Aufnahmen stammen vor allem aus Deutschland, England, Frankreich, Polen, Russland und den USA. Die mehr als 100 ausgewählten Motive werden zusammen mit den rückseitigen Beschriftungen gezeigt, deren Wortwahl eine weitere Ebene des Bildausschnitts eröffnen. Es sind ebenso propagandistische Gedanken wie oft sehr persönliche Widmungen.
Erworben auf Auktionen, bei Zeitzeugen und auf Flohmärkten in zahlreichen Ländern konnte die russisch-amerikanische Fotokünstlerin Benita Suchodrev einen Schatz von persönlichen Erinnerungen heben, der zeitgeschichtliche Einblicke gewährt und die Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Krieges befördert. Die Ausstellung will weder eine politische Aussage treffen noch die Grausamkeit des Krieges verharmlosen.
Zusammengestellt und kuratiert aus Sicht einer Künstlerin und Fotografin ergeben sich neue Zusammenhänge, die nicht streng wissenschaftlich konnotiert sind, sondern die Schrecken und lichten Momente, das Bemühen um Bildästhetik unter barbarischen Umständen und die Sichtweisen von einer Welt im Kriegszustand dokumentieren.
»Was Kriegsfotos angeht, bin ich immer wieder berührt und oft erstaunt, wenn ich Aufnahmen entdecke, die nicht nur historisch relevant sind, sondern eine künstlerische Motivation erkennen lassen. Die Motivation, etwas ‚Ästhetisches‘ oder sogar ‚Poetisches‘ im Bild zu erfassen, in einer Zeit, die das eigentlich nicht zulässt.« Benita Suchodrev
Seit einigen Jahren ist Benita Suchodrev auch als Fotosammlerin tätig. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Ausstellungskatalog ECHOES OF WAR, Benita Suchodrev.
Medienpartnerschaft PIB - Photography in Berlin
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